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Nice Irons Hamburg, Foto: Jan Huss

Von der Couch-Kartoffel zum Ironman

Gila Thieleke, 26.10.2012

Es ist ein Trugschluss, dass der von vielen bewunderte „Ironman“ nur auf Hawaii ausgesportelt wird – in 15 Staaten gehen die Sport-Junkys an den Start. Die Besten dürfen dann zum weltbekannten Wettkampf nach Hawaii und müssen nochmal die selbe Distanz absolvieren.

Benedikt Schreiner (kurz: Bene) und Andreas Zaun alias die „Nice Irons“ sind zwei Hamburger Leistungssportler, die unter anderem die olympische Distanz beim Hamburg Triathlon absolvierten. Nach dem Zieleinlauf stellte Andreas fest: „Das war doch schnulli! Wir machen jetzt den Ironman!“ Ganz schnullimäßig wollen die beiden Kollegen in bis zu 17 Stunden die Gesamtdistanz von 225 Kilometern in Nizza (Frankreich) hinter sich bringen. Das erfordert extrem viel Disziplin.

Vor zwei Jahren konnte ich nicht mal kraulen! Heute trainiere ich für den Ironman

Benedikt (33) steht jeden Morgen um ganz genau zwei Minuten nach sieben auf. Es folgt die tägliche Pulsmessung, anschließend schmiert er für sich und Lebensgefährtin Meike Brote (für ihn sind es ein paar Stullen mehr), danach bringt er seiner Freundin einen Kaffee ans Bett, packt seine Sportsachen und düst jeden Morgen um 8:30 Uhr mit dem Fahrrad zur Arbeit. Es scheint, als könne er selbst gar nicht fassen, wo er sich da hineinkatapultiert hat: „Vor zwei Jahren konnte ich nicht mal kraulen! Heute trainiere ich für den Ironman“ erzählt Bene fassungslos. Und das ist wirklich erstaunlich. Denn der IT-Experte hat bis vor wenigen Jahren noch nicht viel Sport getrieben und brachte bei einer Größe von 1.90 Metern einst ein Gewicht von 120 Kilo auf die Waage. Heute sind es 30 Kilogramm weniger und wöchentlich 17 Stunden Laufen, Schwimmen und Radfahren mehr! Bereits nach acht Wochen Training rutschte die Kleidung derart offensichtlich, dass ich beim Interview dachte, dem armen Jungen sei das Geld ausgegangen. Weit gefehlt, die Prioritäten haben sich geändert und die kostbare Zeit wird neben Beruf und Privatleben mit Sport verplant.

Auch Andreas (38), Vater von zwei Kindern, muss sich „maximal umorganisieren“ wie er es nennt. „Früher habe ich mit meiner Frau sonntags Tatort geschaut. Auf Fernsehen zu verzichten bedeutet heute eine kleine Laufrunde mehr.“ Die kleine zusätzliche Laufrunde besteht zum Beispiel aus 14 Kilometern um den Flughafen. Während der Projektleiter auf das abendliche TV-Programm verzichtet, entbehrt seine Familie wiederum Vater und Ehemann. „Meine Frau ist ab und zu genervt und muss sich häufiger alleine um die Kids kümmern. Sie hätte auch kein Verständnis, wenn ich jeden Sonntag trainieren gehe. Meine Familie weiß aber, dass der Ironman einen besonderen Stellenwert hat. Hier geht es nicht um einen normalen Triathlon sondern um einen der härtesten Wettkämpfe der Welt.“ Und um den zu bestehen, brauchen Sportler oft bis zu zwei Jahre Vorbereitung. Die „Nice Irons“ wollen es in nur neun Monaten schaffen.

Bene: „Das ist kein Wettkampf gegen andere. Es ist ein Wettkampf gegen mich selbst!“ Moment mal, es gilt eine Gesamtstrecke von rund 225 Kilometern zu bestreiten, vergleichbar mit der Strecke Hamburg – Bielefeld. Die Radstrecke durch die französischen Seealpen bei bis zu 2.600 Höhenmetern gilt als eine der härtesten Europas. Für den Kampf gegen sich selbst nimmt er ganz schön viel in Kauf, finde ich. Zu mal sich Extremsportler nicht immer Lob und Anerkennung einheimsen. Andreas: „Von Schock über ‚Vogel zeigen’ bis hin zur Ungläubigkeit sind viele Reaktionen dabei. Die erste Resonanz meines Vaters auf den Ironman: ‚Du bist doch bescheuert.’ Meine Frau glaubt nicht, dass ich es schaffe und den Kollegen ist es suspekt.“

Wäre es nicht eine Alternative, gemäßigt Sport zu treiben und dafür in andere Bereiche wie zum Beispiel Familie oder Beruf mehr Energie zu investieren? Darauf Bene: „Ich habe zuerst eine Ausbildung gemacht und viel später studiert als andere. Mein Job als IT-Projektleiter macht mir Spaß.  Aber man muss realistisch sein – Ich stehe jetzt in Konkurrenz zu Anfang 20-Jährigen. Für eine steile Karriere muss man früh anfangen.“

Sport-Psychologin Frauke Wilhelm trainiert junge Hochleistungssportler für Olympia und kann nachvollziehen, was Bene beschreibt: „Nirgends sonst hat man seine Ziele so klar definiert vor Augen wie beim Sport. Es gibt Menschen, denen etwas in anderen Lebensbereichen fehlt oder die Enttäuschungen erleben mussten, also kompensieren sie dieses Defizit bzw. Misserlebnis mit Sport.“

Machen sich die Menschen damit etwas vor? „Einige mit Sicherheit. Aber es gibt Sportler, denen macht es einfach Spaß, sich zu bewegen. Man muss auch zwischen Leistungssportlern und Berufssportlern unterscheiden. Wer mit Sport sein Geld verdient, hat eine ganz andere Motivation.“

Bleiben wir bei den Leistungssportlern. Was sagen Sie konkret zu dem Phänomen, dass Sportmuffel plötzlich Übersportler werden? „Insbesondere wenn die erste Phase des beruflichen Aufbaus vorbei ist, geht es um neue Ziele. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab und wir merken, dass tägliches Training uns fitter macht. Bei Bewegung werden Endorphine und Glückshormone ausgeschüttet, die ein berauschendes Erlebnis auslösen, was wir möglichst oft erleben möchten. Sport kann somit auch zur Sucht werden.“

Wir halten also fest: Einige kompensieren mit Leistungssport Defizite aus anderen Lebensbereichen. Sie machen sich damit aber etwas vor, weil sie das eigentliche Problem verdrängen und glauben, dass Extremsport diese Lücke füllt. Sportsucht kann eine Ursache sein, warum ehemalige Couch-Kartoffeln sich immer höhere Ziele stecken und scheinbar mit dem bisher erreichten nicht mehr zufrieden sind. Andere wiederum brauchen die Bestätigung für ihr Ego – einfach so, ohne etwas auszugleichen.

Wie so oft, ist die goldene Mitte wohl der beste Weg. In Maßen zu trainieren scheint das Credo. Denn welche negativen Begleiterscheinungen das übermäßige Training mit sich bringt, haben auch unsere beiden Hamburger Jungs bereits bemerkt.  Durch Überbelastung von Muskeln, Knochen und Sehnen können schmerzhafte Erkrankungen entstehen, die laienhaft als „Tennisarm“ oder „Fußballerknie“ bezeichnet werden.

Geht es darum, einen Traum zu verwirklichen, nehmen wir Menschen wohl einiges in Kauf. Und mal ehrlich, von sich sagen zu können, man habe beim Ironman mitgemacht, ist doch alles andere als schnulli.

 

Nice Irons Hamburg, Foto: Jan Huss

Die Nice Irons und ihr bester Kumpel: die Pulsuhr

Gila Thieleke, 12.10.2012

Es ist ein Phänomen, das sich explosionsartig zu entwickeln scheint. In meinem Bekanntenkreis fängt gerade jeder Dritte an, Leistungssport zu betreiben. Es beginnt meist mit einem kleinen Fünf-Kilometer-Lauf, dem folgt ein Halbmarathon, dann der Marathon und schließlich ein Triathlon.

Woher kommt dieser Drang in den 30ern richtig Gas geben zu wollen? Dieser Frage gehe ich nach und verabrede mich zum Interview mit den “Nice Irons”, zwei Hamburger Leistungssportlern. Benedikt Schreiner (Kurzform Bene) ist 33 Jahre alt, Andreas Zaun ist 38. Beide sind im Training für den Ironman. Wir treffen uns in einem kleinen, gemütlichen Restaurant. Bene sichte ich zuerst. Seine Hose rutscht,  ums Handgelenk trägt er kein elegantes Silber, sondern Plastik. Die Puls-Uhr ist sein ständiger Begleiter, genauso wie bei Andreas. Beide bestellen alkoholfreies Bier. Die Sportler wollen am 23.06.2013 beim Ironman in Nizza an den Start gehen. Das bedeutet 3,8 Kilometer Schwimmen im offenen Meer, 180 Kilometer Radfahren in den französischen Seealpen bei bis zu 2.600 Höhenmetern und einen Marathon laufen – schlappe 42,2 Kilometer. Heißt im Klartext für die beiden Hamburger: 15 bis 17 Stunden Sport! In meinen Ohren klingt das erbarmungslos.

“Wieso ausgerechnet jetzt”, frage ich.

Bene: „Mit Mitte 20 war ein Halbmarathon einfach nicht sexy.“ Das müsste im Umkehrschluss doch bedeuten, dass es mit Anfang 30 cool ist einen Marathon zu laufen. „Vermutlich schon“, sagt Bene, beteuert jedoch gleichzeitig, dass er es nur für sich und sein eigenes Ego macht. „Was andere denken ist mir egal. Ich muss nur mir selbst etwas beweisen.“

Das nehme ich ihm ab, er scheint nicht der Typ zu sein, der wie ein Poser durch die Gegend rennt und aller Welt verkündet, dass er für den Ironman trainiert. Angeber sind in meinen Augen schwache Menschen. Menschen, die unsicher sind und nicht genug Charakter besitzen, um zu dem zu stehen, was bzw. wer sie wirklich sind. Die Jungs hingegen kommen mir beide sehr gefestigt vor.

Trotzdem sehe ich noch einen großen Widerspruch und frage mich: Was motiviert Menschen wie Andreas und Bene. Ist es die Sehnsucht nach „Mehr“?  Das Verlangen in seinem Leben etwas zu erreichen, was man woanders nicht erreicht hat? Kompensieren Leistungssportler etwas?

Andreas: „Bei mir ist das definitiv nicht so. Ich habe eher eine Art ‚To Do Liste’ an Dingen, die ich im Leben mal gemacht haben möchte. Dazu gehört eine Atlantik-Überquerung, den Jakobsweg gehen oder eben beim Ironman mitmachen.“ Den Jakobsweg ist Andreas übrigens in sechs Tagen mit dem Fahrrad abgefahren.

Andreas spricht von Dingen, die man in seinem Leben einmal gemacht haben möchte. Ist es vielleicht auch die Suche nach Spiritualität oder nach einem höheren Sinn, nach einer „Antwort“. Möglicherweise ist Sport eine der Stufen auf dem Weg zur Glückseeligkeit. Laut dem Philosophen Aristoteles ist Glückseeligkeit die Antwort auf die Frage nach dem höchsten Gut. Glückseeligkeit wollen die Menschen um ihrer Selbst willen erreichen.

Ich grabe weiter und stoße auf eine Sportpsychologin, die junge Hochleistungssportler auf die Olympischen Spiele vorbereitet hat. Von ihr erfahre ich neue interessante Details.

Comedy im Stellwerk, Foto: Christoph Kurze

“Ich hab’ mehr Piloten gedreht als die Lufthansa einstellt”

Gila Thieleke, 11.10.2012

Inmitten des Harburger Bahnhofs befindet sich ein kleines Juwel. Und wenn ich schreibe, inmitten, ist das wörtlich gemeint. Direkt über den Gleisen drei und vier führt ein Gang in den Comedy Club Stellwerk.

Hier organisiert NDR Comedy Preis Gewinner Thorsten Bär jeden ersten Donnerstag im Monat pfiffige Witz-Sessions. Der Gastgeber eröffnet den Abend mit Geschichten, die das Leben schreibt. Sein Leben! Man hat das Gefühl, er muss sich die Gags nicht aufschreiben. Sie passieren einfach und der Comedian teilt sie bereitwillig mit seinem best Buddy: Dem Publikum. Es geht um seine Zeit als Warm-Upper bei Steffen Henssler und um seine Erlebnisse in der Hauptstadt. ”In Berlin fühlen sich alle so richtig hip. Das versteh ich einfach nicht. Hip ist für mich Babynahrung!”

Das Publikum lacht. Mittendrin: Doris. Doris ist Mitte 40 und präsentiert eine fäsche Mische aus gelbem Strick-Pulli und Blümchen-Schal… Wir verstehen uns! Doris spielt Blockflöte und pinkelt gemeinsam mit ihren Schwestern im Stehen die Weinberge herunter. Ihre Anekdoten sind der direkte Aufhänger für Thieß Neubert, der als nächster auf die Bühne springt. Der Comedian ist Dauersingle und auf der permanenten Nicht-Suche nach der Frau für’s Leben. Er schlawinert sich von einem Date zum nächsten und erzählt von den kleinen bis mittelschweren Eskapaden. Sein Revier: Das Internet. “90 Prozent der Frauen schreiben in ihr Flirt-Profil, dass sie einmal in ihrem Leben mit Delfinen schwimmen wollen. Ich habe direkt reagiert und mein Profil überarbeitet. Mein aktueller Beruf: Delfintrainer.”

Am 1. November geht’s in die nächste Comedy-Runde. Mit dabei ist ein TV-Team von RTL2, die eine Pilot-Folge drehen. “Ich hab’ mehr Piloten gedreht als die Lufthansa einstellt”, erzählt Thorsten lachend. Vielleicht holt die Lufthansa ja auf und aus dem Testfilmchen wird eine ganze Serie. Das Potenzial dafür haben Thorsten und seine Kollegen unbestritten.

Bei einem kühlen Bier Comedy erleben, Foto: Christoph KurzeThieß Neubert im Comedy Club Stellwerk, Foto: Christoph KurzeAkascht rocken die Bühne, Foto: Christoph KurzeThieß Neubert ist für die Show aus München angereist, Foto: Christoph KurzeGastgeber Thorsten Bär nach der Show an der Bar, Foto: Christoph Kurze

Wetten, dass..? Zäh wie ein Kaugummi, Zeichnung: Christoph Kurze

Markus Lanz kann’s! Doch wer bitte feuert seinen Ghost-Writer ???

Gila Thieleke, 07.10.2012

Ja, der gute Lanz hat ein schweres Erbe anzutreten: Der erfahrene Moderator übernimmt die Sendung “Wetten, dass..?” von TV-Flaggschiff Thomas Gottschalk und startet mit einem Witz über Düsseldorfs Pelz-Dichte. Wuummms!

Bei seiner Anmoderation merkt man, wie sehr Lanz geackert haben muss – seine Stimme wirkt angeschlagen, nervös läuft er ein paar Schritte nach hinten und wieder nach vorne. Kurz nach der Begrüßung steigt der TV-Profi mit einer Geschichte ein, die alles wegpustet, was man sich zuvor vorgestellt hatte: Als man ihm gesagt habe,  dass die erste Show in Düsseldorf  starten würde, habe er geantwortet: “Ja, das mach ich. Denn Düsseldorf ist wohl die einzige Stadt, die eine höhere Pelz-Dichte hat als Grönland (…).” Autsch! Schlechter Witz oder schlecht rübergebracht? Ein Stefan Raab hätte die Lacher wohl auf seiner Seite. Aber bei einem Markus Lanz wirkt es wie ein knackiger Fauxpas. Da frag ich mich: Welcher Ghost-Writer hat das bitteschön verbockt? Und wer hat den armen Jungen damit auf Sendung geschickt? Da geht der Mann in seine erste Show als Gottschalk-Nachfolger, bei der alle nur darauf warten, dass er einen richtig ordentlich Bock schießt und dann muss er mit rhetorischen und humoristischen Highlights aufwarten, die mein zweijähriger Neffe besser hinkriegt.

Nach einigen Minuten wird er ruhiger, holt Schlag auf Schlag die Gäste mit Wettkandidaten ins Studio. Unwillkührlich drängt sich die Frage auf: Wie groß ist eigentlich genau dieses sogenannte Erbe, das er da antritt???  Die Sendung hab’ ich das letzte Mal als kleines Mädchen geschaut – familiärer Zwang sozusagen. Veto ausgeschlossen. Lockten interessante Stars, hat’s mich die letzten Jahre allenfalls mal zum Reinzappen verleitet.

“Wetten, dass..?” zieht sich doch seit eh und je hin wie ein Kaugummi, dem bereits kurz nach dem ersten Herumkauen der gute Geschmack ausgeht.

Klar, Lanz gehört zu den Saubermännern des deutschen TV. Natürlich wäre es schön, einen Moderator mit Ecken und Kanten zu sehen. Aber das ist kein Problem von “Wetten, dass..?”. Das ist ein Problem des deutschen Fernsehens als solches.

Ich schalte den Fernseher aus, mit der nüchternen Erkenntnis, dass der Samstagabend auch außerhalb der eigenen vier Wände ausklingen darf. Lanz hat eine solide Leistung abgeliefert! Die Frage ist eher, wann das ZDF dieses öde Format endlich nouvelliert – oder beerdigt.

Box- Weltmeisterschaft in Hamburg: Povetkin vs. Rahman, Foto: Gila Thieleke

Box-Weltmeisterschaft oder auch: Das dicke Kalb vor der Schlachtung

Gila Thieleke, 30.09.2012

Es ist ein Trauerspiel! Boxweltmeister Alexander Povetkin verteidigt in der Hamburger Sporthalle seinen Schwergewichts-Titel gegen  Herausforderer Hasim Rahman.

Es schien, als hätte man Rahman zuvor gesagt: „So, alter Junge, wir brauchen einen Kampf. Stell Du Dich mal in den Ring und tu so, als wärst Du ein angemessener Gegner.“ Und im Ernst, Boxen konnte er mal wie ein Großer! Rahman hatte einst Legende Lennox Lewis besiegt…. wie gesagt: einst. Während der russische WBA-Titelverteidiger wendig und flink durch den Ring tänzelt, wirkt Rahman wie ein großer, leicht untersetzter, schwerfälliger Bär. Die erste Runde übersteht er heil. In der zweiten Runde nimmt sich Povetkin den Unterlegenen so richtig zur Brust und boxt auf ihn ein. Rahman taumelt in die Ecke, steht benommen an den Ringseilen und ich frage mich, wie er sich überhaupt noch aufrecht halten kann. Mitleid macht sich in mir breit, denn der Russe boxt immer weiter und weiter auf den wehrlosen Bären ein und dieser steht einfach da und holt sich scheinbar bereitwillig seine Portion Prügel ab. Wie ein dickes Kalb vor der Schlachtung.

Zur Notschlachtung kommt es jedoch zum Glück nicht, da Ringrichter Gustavo Padilla den Kampf vorzeitig abbricht. Technisches K.o. noch bevor der Gong zum Beenden der zweiten Runde ertönt. Wie so oft hatte es bei dem zweiten Hauptkampf mehr zu sehen gegeben: Europameister Kubrat Pulew aus Bulgarien besiegte den Russen Alexander Ustinow durch K.o. in der elften Runde. Vor Ort mit dabei neben den ARD-Moderatoren und Box-Experte Henry Maske sind Prominente wie Schauspieler Uwe Ochsenknecht, Boxerin Susan Kentikian und Kiez-Größe Kalle Schwensen.

Povetkin wird als Sieger dieses kleinen Schauspiels voraussichtlich im nächsten Jahr gegen WBA-Superchampion Wladimir Klitschko antreten. Ich bin gespannt, wer dann auf die Schlachtbank geboxt wird…

Kleiner Speisesaal - Foto: Claus Vogel

Mühlenkamp-Check: Kleiner Speisesaal

Gila Thieleke, 27.09.2012

Und weiter geht’s beim Mühlenkamp-Special von Kolumne Hamburg. Heute widmen wir uns dem Restaurant “Kleiner Speisesaal”. Die Speisekarte: klein aber ohooo! Doch was sagen die Gäste über das Lokal?

Das Restaurant an der Dorotheenstraße befindet sich im Souterrain. Nach Betreten wird man vom Personal mit einer ehrlichen Portion Herzlichkeit in Empfang genommen. Besonders zu den Abendstunden ist es ratsam zuvor einen Tisch zu reservieren – im Innenbereich gibt es nur wenig Plätze. Den Besuch im Vorwege zu planen lohnt sich allerdings! Ob Rinderfiletspitzen, Trüffel oder Fischspezialitäten… wöchentlich bieten Restaurant-Chef und Köche den Gourmet-Liebhabern verschiedene Highlights.

Mein absoluter Favorit und zum Glück dauerhaft auf der Karte: Der Salat mit einem richtig schönen Stück Thunfisch. Lecka-schmecka! Der Thunfisch ist mit dunklem Sesam ummantelt und landet wunderbar medium gebraten auf meinem Teller. Die Atmosphäre im Kleinen Speisesaal ist gemütlich und angenehm. Einziges Manko: Die Stühle sind nicht überaus bequem und man sitzt dicht an dicht mit den Tischnachbarn.

Sucht man sich im Internet durch die Besucher-Statements, finden sich fast durchweg positive Kritiken. Das hochwertige Essen, die guten Weine und die sympathischen Lokal-Betreiber werden gelobt. Lediglich die Kommentare über die Restaurant-Gäste fallen mit “laut lachende Wichtigtuer” etwas durchwachsen aus. In der Tat wird auch an diesem Abend laut gelacht und mit fortschreitender Uhrzeit ausschweifend gefeiert. Wobei ich mich und meine Freunde in diesem Punkt nicht unbedingt ausnehmen darf. Aber ich denke, da nehmen sich alle Restaurants nichts, in denen der Vino fleißig fließt. Im Kleinen Speisesaal fällt es aufgrund der überschaubaren Größe vermutlich einfach mehr auf, wenn sich die Gäste amüsieren. Und mal ehrlich… nichts ist schlimmer als eine Lokalität, in der die Bussi-Bussi-Gesellschaft schweigend im Corrèze-Kalb herumstochert.

Die Preise haben ganz klar Mühlenkamp-Niveau – und sind absolut berechtigt! Definitiv nicht nur einen Besuch wert…

Mehr zum Gastro-Check am Mühlenkamp: Deseo Gertigstraße: Kleine Tapas ganz groß!

 

 

Foto: Christoph Kurze

Einmal Abheben mit Rückflug-Garantie, bitte!

Gila Thieleke, 20.09.2012

Endlich ist es so weit! Mein erster Segelflug steht kurz bevor. Spannuuuuuuung! Fluglehrer Olaf hat mich für den Doppelsitzer eingeplant. 

„Heute haben wir Blauthermik“, erzählt er der Runde. Aha, Blauthermik. Ist das nun gut oder schlecht, frag ich mich. Der erfahrene Fluglehrer scheint meine Gedankengänge an meinen weit aufgerissenen Augen ablesen zu können. „Es sind kaum Wolken am Himmel, das macht es schwieriger für uns zu fliegen.”

Segelfliegen lässt sich einfach zusammenfassen: Kleine Kuh, große Kuh

Kurz darauf bekomme ich eine erste Einführung in die Bedienung eines Segelflugzeugs, denn direkt vom ersten Flug an steuert man selbst. Natürlich nicht die ganze Zeit, aber zwischendurch immer mal wieder. Also erzählt man mir: „Knüppel nach vorne heißt Du fliegst nach unten, Knüppel zu Dir hin heißt, Du fliegst nach oben.“ Höhenruder, Querruder, Seitenruder und zwei Fußpedalen …ohje, mir wird ganz schlecht. Im Kopf gehe ich alles durch. „Knüppel nach hinten heißt noch mal was??“, frage ich.

„Kleine Kuh, große Kuh“, antwortet Daggi, die Startleiterin des heutigen Tages. Dann herrscht völlige Verwirrung bei mir. „Na, Knüppel nach vorne heißt, die Kühe werden größer, Knüppel nach hinten bedeutet, die Kühe werden kleiner“, ergänzt Daggi. Ahaaaaa! Alles klar, das leuchtet ein.

Dann geht’s los. Ich bin an der Reihe. Olaf begleitet mich zur AK-13, legt mir den Fallschirm an und ich setze mich in den vorderen Sitz. Wir gehen eine Checkliste durch und warten schließlich auf das Startsignal – eine gefühlte Ewigkeit. Auf einmal geht alles sehr schnell, mit einem Ruck werden wir nach vorne gezogen – ich merke wie mein Herz anfängt zu rasen. Plötzlich heben wir ab. Wir sind in der Luft und es geht steil bergauf! Mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 80 km/h rauschen wir in die Höhe. Immer weiter und weiter – ich habe das Gefühl es nimmt gar kein Ende, doch es geht immer steiler bergauf. Alles kommt mir sehr surreal vor. „Das ist kein Computer-Spiel! Das ist kein Computer-Spiel“, sage ich mir immer wieder. Diese Tatsache muss ich mir immer wieder bewusst machen. Voller Erstaunen schaue ich auf den Boden. Unter uns sieht man die A1 und in weiter Ferne den Hamburger Hafen. Zwischendurch teste auch ich die Bewegungen des Segelflugzeugs. „Kleine Kuh, große Kuh“ erinnere ich mich und fliege meine erste Kurve. Nach nur wenigen Minuten ist der Flug auch schon vorbei und Olaf legt eine glatte Landung hin.

Was für ein Erlebnis! Der Segelflug hat unglaublich Spaß gemacht. Geflasht und glücklich mache ich mich etwas später auf den Weg nach Hause. Ein Tag, den man nicht so schnell vergessen wird…

 

 

Flugschüler bei der Vorbereitung, Foto: Christoph Kurze

Flugplatz Boberg: Vorsicht, Leute! Der linke Flügel…

Gila Thieleke, 11.09.2012

Mittlerweile hatte ich Zeit, die ersten Eindrücke vom Tag auf dem Flugplatz Boberg sacken zu lassen. Fotograf Christoph und ich starten in Tag Nummer Zwei. Um zehn Uhr ist das erste Team-Meeting und der Fluglehrer verschafft sich einen Überblick über seine Flug-Schäfchen.

An diesem Sonntagmorgen haben sich ca. 20 Leute vor der Flughalle des HVL eingefunden. „Das läuft relativ spontan, wer kommt der kommt“, so Olaf Brückner, diensthabender Fluglehrer. Lediglich die Dienste für alle wichtigen Posten stehen bereits im Vorfeld fest.

Gemeinsam werden die Segelflugzeuge aus der Halle manövriert. Mit sechs Mann schieben wir den Doppelsitzer, die ASK-13 nach draußen. „Vorsicht, die linke Seite“, tönt es von draußen. Fast hätten wir den „Bergfalken“ um einen Flügel kürzer gemacht. Natürlich nur fast, denn alle sind bei der Sache und viele Helfer haben ein Auge auf die Flugzeuge. Denn: So ein Vogel kann schon mal eine Spannweite von 16 Metern haben; da ist Vorsicht geboten.

Wir haben Ostwind, der Startplatz wird also im Westen aufgebaut. Gestartet wird nämlich immer gegen den Wind. Am anderen Ende befindet sich die motorbetriebene Winde, an der stabile Stahl-Seile angebracht sind. Diese werden an den Segelflugzeugen befestigt. Über die Winde rollen sich die Seile auf, wodurch der Flieger nach oben gezogen wird. Ab einer  bestimmten Höhe löst der Pilot das Seil.

An diesem Tag sind viele Flugschüler dabei, darunter Fabian Schankin und Kevin Weber (siehe Foto). Fabian steht kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung, Kevin ist noch mittendrin, fliegt aber schon eine ganze Weile alleine wie mir erzählt wird. Anfänger müssen so lange im Doppelsitzer mit Lehrer fliegen, bis ihnen bestätigt wird, dass sie in der Lage sind alleine abzuheben. Diesen Punkt erreichen die Schüler bereits vor Beenden der Ausbildung – logischerweise, denn bei der praktischen Prüfung müssen sie ja auch alleine fliegen können.

Für den Flugschein sind um die 200 Starts notwendig. „Das variiert natürlich. Der eine schafft es schneller, der andere muss häufiger in die Luft“, so Fluglehrer Olaf, „das größte Problem ist die Zeit.” Flugbetrieb ist meistens dienstags, samstags und sonntags bei passendem Wetter. Geflogen wird zwischen April und Oktober. Bei vier Wochenenden pro Monat kann sich jeder ausrechnen, was das bedeutet. Zu den Schein-Nachweisen gehören unter anderem ein Gesundheitszeugnis, eine Theorie- und eine Praxisprüfung (60 Stunden Theorie und mindestens 70 Starts mit Lehrer im Doppelsitzer). Der Schein ist relativ erschwinglich. Rechnet man die Aufnahmegebühr, Mitglieds- und Prüfungsbeiträge usw. auf den Monat herunter, zahlt man ca. 80 Euro monatlich über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren.

„Tennisspielen ist mit Sicherheit teurer“, sagt Olaf lachend.

Wie es auf dem Flugplatz Boberg weitergeht und ob Kolumnistin Gila sich tatsächlich in die Höhe wagt, erfahren Sie nächste Woche hier bei Kolumne Hamburg.

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Zeichnung: Christoph Kurze

Knallhartes Lady-Business

Gila Thieleke, 08.09.2012

Mittagspause auf einen Freitag. Es ist sonnig und am Mühlenkamp tummeln sich die bekannten Gesichter. Meine Freundin Miri und ich entscheiden uns für’s Caffe’ 42. Mit Ledermappen gewappnet setzen wir uns an die Theke. Ladys unter sich, knallharter Businessaustausch.

Die Bedienung ist höflich und zuvorkommend, an diesem Tag sind auffällig viele Singles unterwegs, zumindest Menschen, die alleine mit einer Zeitung oder Unterlagen an den Tischen sitzen. Dementsprechend ruhig ist es. Kommt uns gelegen, wir haben viel zu besprechen und wenig Zeit mitgebracht. Naja, was kleines zu Essen darf trotzdem nicht fehlen, ich entscheide mich für die “Crostini 42″ – Toskanabrot mit Parmaschinken, Tomate und Pesto. Miri wählt die Variante mit Hühnchen, Ananas und Currysauce. Beides lecker und schnell im Magen verschwunden. “Der Apfelkuchen hier ist wirklich ein Traum”, schwärmt Miri und schaut mich fragend dabei an. Unsere Blicke treffen sich, ich kneife die Augen zusammen, die Apfelkuchen-Frage steht nun eisern im Raum. Ich spüre enormen Druck und weiß ganz genau: So komme ich ihr nicht davon! Dann die Rettung, irgendwo fällt eine Gabel herunter und reißt uns aus der scheinbaren Lethargie. Energisch schieben wir unsere leeren Crostini-Teller beiseite. Diese Schlacht ist nochmal an uns vorbeigegangen! Wir packen unsere Mappen aus (wichtig, wichtig) und fangen an …………. über die letzten Bar-Eröffnungen, Mode-Trends und die neuesten Männer-Geschichten zu klönen. Im Nu unterhalten wir den halben Laden, Gäste und Personal reagieren erstaunlich gelassen.

Am Ende gibt’s noch einen Latte Macchiato und einen Kakao oben drauf und wir können mit dem guten Gewissen zu unserem nächsten Termin eilen, wirklich alles Wichtige besprochen zu haben.

 

Segelfliegen in Boberg, Foto: Christoph Kurze

Segelfliegen ist wie Fahrradfahren

Gila Thieleke, 29.08.2012

Segelfliegen: Eigentlich ein teurer Sport, dachte ich immer. Bis ich während der Themen-Recherche auf der Internetseite vom Flugplatz Boberg lande. Mit 500 Euro für 100 Segelstarts ist das Preisliche gar nicht so schlecht. Also wird nicht lang gefackelt. Telefon in die Hand und ab geht’s.

Es folgt das erste Telefonat mit Vereins-Präsident Dieter Gasthuber vom Hamburger Verein für Luftfahrt. Er gibt mir seine Email-Adresse für den weiteren Kontakt durch: „Papa, Romeo, Alpha, Echo… Delta, Bravo“, buchstabiert er. Ich versteh nur Bahnhof. „Bitte wie?” Dann dämmert es mir. Wir befinden uns im Funk-Alphabet und ich hab gleich den ersten Einstieg voll verpasst. Setzen, sechs, würde man in der Schule sagen. Wir können uns dann doch noch verständigen und ich düse auf einen bewölkten Samstag Morgen gemeinsam mit einem Fotografen zum Flugplatz Boberg. Wir werden freundlich empfangen. Wo anderorts Vereinsmitglieder verschlossen und distanziert reagieren sind hier alle freundlich und nett. Egal wo wir auftauchten, ruft man uns ein aufgeschlossenes „Mooooin“ entgegen.  Beim Startplatz sind mehrere Stühle und Bänke aufgebaut. Während einige Jugendliche in der Pilotenausbildung mit Segelfliegern in die Höhe schießen, sitzen die anderen bei Kaffee und Kuchen zusammen und schnacken. Gasthuber nimmt sich viel Zeit, erzählt uns kleine Flieger-Anekdoten, klärt uns über die Flugzeugtypen auf und bringt uns ein paar Basics bei.

“Segelfliegen ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nie”, so Olaf Brückner, langjähriger Segelpilot und Fluglehrer in Boberg. Ich blicke ihn ungläubig an. Noch ist mir nicht mal klar, wie man stundenlang in der Luft segeln kann, ohne herunterzufallen. Auch er nimmt sich viel Zeit für uns, fragt uns schließlich, ob wir nicht Lust haben einen Schnupperkurs zu machen.

Während ein 17-Jähriger gerade eine Landung hinlegt, blicke ich in die Höhe. Nur beim Zusehen wird mir schon ganz mulmig im Bauch. Der motivierte Fotograf Christoph stimmt sofort zu – ich hingegen bin noch am Hadern. Soll ich oder soll ich nicht? Das ist hier die Frage…

Hier geht’s zum HVL.