Woman Business Lounge: Wer oder was ist wirklich schön???
von Gila Thieleke, 21.04.2016
Bereits die alten Ägypter waren auf der Suche nach ewiger Jugend. Königin Kleopatra badete in Milch – das war ihre ganz persönliche Rezeptur für zarte Haut und ein frisches Aussehen. Aber wer macht das heute noch?
Die Damenwelt besticht an diesem Abend durch pfiffige Frisuren, Kleider mal cool und lässig, mal extravagant oder frühlingshaft. Im eleganten Mercedes werden die Ladys vorgefahren, nach einem Begrüßungsdrink sowie Tatar vom Hereford Rind, deliziösem Lachs und Spargelcremesüppchen von Sterne-Koch Karl-Heinz Hauser begrüßt Verleger Wolfgang Buss die Gäste. Rund 150 Frauen lauschen dem Treiben in der Metropolitan Art Gallery. Bei der siebten Woman Business Lounge treffen sich die Hamburgerinnen, um zu Netzwerken. Jedes Event hat sein eigenes Thema: Heute geht es um die Schönheit.
Äußerlicher Glanz und Grazie sind ein Segen. Auch wir Frauen können nur schwerlich an einer Natur-Schönheit vorbeischauen, oder? Doch der Reiz liegt nicht in der Perfektion. Ein interessantes Äußeres mit scheinbarem Markel macht doch erst die wahre Verlockung aus. Wir verstecken uns nur allzu oft hinter einer Fassade aus Make-up und einem Berg Haaren. Das ist ok. Diese äußere Hülle schützt uns – manchmal. Umso schöner sind die Momente, wenn die wahre Pracht des menschlichen Seins zum Vorschein kommt: Gedanken, Emotionen, einige großzügig herangezüchtete Allüren, Tollpatschigkeit, Freundschaft, Ängste, Zuneigung oder sogar Liebe. Die ganze Facette an Eigenschaften und Gefühlen macht das Menschsein und damit auch unsere Schönheit aus. Nur mal ehrlich, ein strahlender Teint, ein schickes Paar Schuhe, ein stylishes Kleid und die passenden Accessoires dürfen deshalb ja trotzdem nicht fehlen.
Julia Wulf von der aktuellen Staffel Germany’s next Topmodel entspricht dem optischen Schönheitsideal: groß, schlank, makellose Haut. Ah, da war noch was: Ring in der Nase. Für die einen – die Redakteurin eingeschlossen – ist dies ein ganz normales Accessoire, nichts was der Erwähnung bedarf. Für andere wiederum passt „Blech im Gesicht“ nicht ins Schönheitsbild. Das Fernseh- Publikum liebte sie in der Sendung vor allem für ihre markante Art und ihr klares Standing.
Da fragen wir uns, ob angehende Models, die ihren eigenen Kopf haben, ihrem eigenen Stil folgen und klar sagen, was sie denken, es heutzutage schwerer haben. Julia überlegt: “Ich denke, manche Designer wollen Mädchen, die sich fügen und das adaptieren, was der Künstler repräsentieren möchte. Aber ich finde es auch wichtig, dass Mädchen sich selbst treu bleiben.
Das können wir nachvollziehen. Inwiefern bleibt sie sich selbst eigentlich treu?
“Indem ich mich nicht unter’m Wert verkaufe. Es gibt Hersteller, für die würde ich nicht arbeiten.”
Auch nicht für eine horrende Summe – eine Million Euro?
Julia lacht: “Naja, es würden auch 20.000 Euro reichen oder weniger. Dann würde ich auch für Discounter posieren. Dennoch macht mich wenig von Außen glücklich. Für mich zählen meine Freunde und das Charakterliche.”
Freundschaft ist wichtig. Freunde sind selten fehlerfrei – wir selbst genauso wenig. Zum Glück. Modeschöpfer Wolfgang Joop sagte einst: “Die kleine Beschädigung der Büste und die feine Asymmetrie machen erst die eigentliche Schönheit perfekt. Schönheit braucht den Makel.“ Boris Entrup ist bereits seit über zehn Jahren in der Modebranche ein fester Bestandteil als Hair & Make-up Artist. Liegt wahre Schönheit, wie Joop sagt, in der Unvollkommenheit?
Entrup: “Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Die kleinen Fehler machen die Menschen viel spannender. Doch auch ein symmetrisches Gesicht wie das von Model Toni Garrn ist einzigartig. Ich sehe Schönheit zum einen beruflich und hebe Vorzüge hervor oder kaschiere auch durch Make-up. Gleichzeitig finde ich Menschen spannend, die sich verbal ausdrücken können, mit einem herzlichen Lachen oder einer interessanten Ausstrahlung. Bei manchen kommt es von Innen. Bei einigen Frauen entspringt der Esprit aus einer sinnlichen Bewegung, andere wiederum legen einen Schalter um und haben eine enorme Präsenz. Auch ein tolles Kleid unterstreicht die Weiblichkeit. Und manchmal reicht es, wenn Du einfach nur Mascara aufträgst.“
An diesem Abend beschäftigen sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion, moderiert von Johanna von Sachsen-Coburg, mit den Fragen der Schönheit. Neben Boris Entrup und Julia Wulf sind mit dabei: Dr. Walter Trettel, der Leiter der Kosmed-Klinik, Dermatologin Dr. Susanne Steinkraus sowie Sylvia Könneker.
Walter Trettel: “Wir sind eine Reparaturwerkstatt. Angela Merkel ist das beste Beispiel, weil das Wangenfett bei Frauen ab 50 nachlässt.” Und die Zahlen bestätigen seinen Ansatz. Die Schönheitsbranche boomt, für 2016 werden Umsätze von 12,5 Milliarden Euro allein in Deutschland erwartet. Kosmetische oder chirurgische Eingriffe sind hier noch nicht eingerechnet. Auch die Dermatologin Dr. Susanne Steinkraus kann nachvollziehen, dass eine strahlende Haut für viele ein Schönheitsideal ist. Die Damen lauschen gebannt.
Am Rande der Bühne sieht man zwischen den Zuschauern eine junge Frau konzentriert das Geschehen verfolgen. PR-Profi und Veranstalterin Nadine Geigle zieht nun bereits zum siebten Mal hinter den Kulissen die Fäden. Einladungen, Location- und Sponsoren-Suche, Deko, Sound, Organisation. Und auch wenn Perfektion an diesem Abend einstimmig nicht das erklärte Ziel ist, so bilden Veranstaltung und Ort eine angenehm perfekte Symbiose. In der Metropolitan Art Gallery von Inhaber Gregor Bröcker stellt der Fotograf Eric Ceccarini seine Werke aus – darauf zu sehen: künstlerisch mit Farbe bemalte Frauen, die eine wundervolle Verwandlung präsentieren.
Verwandlung. Nicht erst seit Kafka haben wir einen Eindruck davon, was dies bedeutet. Verwandlung kann auf vielen Ebenen geschehen. Manchmal fühlen wir uns gleichsam dem literarischen Werk wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt. Stagnieren, kommen nicht voran. Doch genau diese – wir nennen es mal charmant ‘Verschnaufspausen’ – machen unseren Weg ja erst charakteristisch und interessant. Genauso wie ein dicker runder Leberfleck, sprenkelige Sommersprossen oder eine Nase mit Wiedererkennungswert. Schönheit empfindet jeder Mensch anders. Und das ist auch gut so.