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Rezension: The Darkest Minds – Die Überlebenden

Die vier Jugendlichen, die gegen die Regierung vorgehen, Foto: Daniel McFadden

von Laura Carstens und Anja Ende, 11.08.2018

Grace blickt starr geradeaus. Ein Zittern durchfährt ihren Körper bevor sie verkrampft und den Becher in ihrer Hand zerdrückt. Sie bricht zusammen und stirbt auf dem Boden des Klassenzimmers.

Das ist Rubys erste Begegnung mit dem tötlichen Virus. Ruby Daly ist die Hauptfigur in der am 16. August erscheinenden Verfilmung des ersten Teils der Buchreihe “Die Überlebenden” von Alexandra Bracken. Wir durften ihn vorab für euch ansehen und unser erster Eindruck war durchaus positiv: Wir fühlten uns gut unterhalten.

Mit The Darkest Minds – Die Überlebenden wagt sich Regisseurin Jennifer Yuh Nelson, die mit Kung Fu Panda 2 vor sieben Jahren großen Erfolg feierte, erstmals an einen Realfilm.

Grace hat es nicht überlebt: Das misteriöse Virus IAAN, das 98 Prozent der amerikanischen Kinder auslöscht. Die restlichen zwei Prozent besitzen plötzlich übernatürliche Fähigkeiten. Zu ihnen gehört Hauptprotagonistin Ruby. Die 16-Jährige wird von Amandla Stenberg gespielt, die vielen schon aus “Die Tribute von Panem” als Rue bekannt sein könnte. Um eine Gefährdung für die übrige Menschheit auszuschließen, werden die Kinder in Lager gesteckt und farblich nach ihren Fähigkeiten in grün, blau, gelb, rot und orange sortiert. Wobei Kinder mit den letzteren beiden Farben als besondere Bedrohung angsehen und umgehend eliminiert werden. Und wie könnte es anders sein, ist Ruby natürlich eine von den Orangenen und kann sich nur dank ihrer Gabe vor dem Tod retten. Sie ist in der Lage Gedanken zu lesen und zu manipulieren, was ihr bei der späteren Flucht aus dem Internierungslager hilft. Sie trifft auf Liam (Harris Dickinson), Chubs (Skylan Brooks) und Zu (Miya Cech), die ebenfalls aus anderen Lagern geflohen sind. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zu einem sicheren Ort.

Laut eines Interviews mit Den of Geek! hielt sich Regisseurin Nelson nah an die Buchvorlage und hofft damit die Fans glücklich zu machen. Vielleicht schafft sie das. Aber als Zuschauer, die diese Reihe nicht kannten, mussten wir im Nachhinein feststellen: Übernatürliche Fähigkeiten, begabte Kids, die sich gegen die Erwachsenen auflehnen, die Suche nach einem Ort, an dem man akzeptiert wird und frei ist? Es ist wie ein Déjà-vu. Und dieses Gefühl begleitet einen die ganzen 104 Minuten. Die Special Effects sind wirklich gut gelungen. Die Chemie zwischen den Darstellern funktioniert, die schauspielerische Leistung zwischendurch großartig! Doch irgendwie wartet man auf etwas Neues. Es ist eine Mischung aus X-Men, Tribute von Panem, Misfits, Die Bestimmung. Ja, man könnte die Liste so weiterführen…

Nach anfänglicher Sympathie für den Film gibt es beim genaueren Analysieren also doch einige Kritikpunkte. Die Story beginnt ziemlich rasant. Über das Entstehen des Virus IAAN erfahren wir nichts weiter. Die wenigen Eindrücke aus den Lagern lässt den Zuschauer nicht nachvollziehen, was für Qualen die Jugendlichen erleiden mussten. Dadurch findet man nur langsam den Bezug zu den Charakteren. Wie in jedem zweiten Kinofilm ist auch hier von Anfang an ersichtlich, wer sich ineinander verliebt, da wir zügig zur Stelle geführt werden, an der sich Ruby und Liam das erste Mal begegnen.

In einem Punkt setzt der Film ein klares Zeichen: Es gab in der Vergangenheit schon einige Streifen mit weiblichen, starken Hauptrollen, jedoch selten mit einer afroamerikanischen Anführerin, wie die Schauspielerin von Ruby selbst feststellte: “Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Produzenten überhaupt eine dunkelhäutige Hauptdarstellerin in Betracht ziehen würden”, gesteht Amandla in einem jolie-Interview. Und auch wenn wir es als ein positives Zeichen wahrnehmen, ist es eigentlich traurig, so etwas im 21. Jahrhundert nicht schon als normal und selbstverständlich anzusehen. Auch ganz passend: Der Name Amandla stammt von ihren Vorfahren und bedeutet übersetzt “Stärke”. Und die beweist sie als Ruby allemal. Hier hätte man durchaus noch einen Schritt weiter gehen und vom Buch abweichen können. Eine homosexuelle afroamerikanische 16-jährige Anführerin wäre doch wirklich mal ein Statement. Schauspielerin Amandla Stenberg wäre sogar dafür die optimale Wahl, da sie erst kürzlich auf ihrem Instagram-Profil zugab: “Ja, ich bin lesbisch – jetzt ist es schwarz auf weiß”.

Leider geht bei dem ganzen Hokuspokus und den schön anzusehenen Effekten der tiefere Sinn verloren. Wieso kümmert es scheinbar niemanden, was eine Zukunft ohne Kinder eigentlich bedeutet? Als wäre es ein temporäres Problem, das bald wieder vorbei ist. Wir reden hier ja nicht über einen Schnupfen. Ganz naiv und ohne Gegenwehr geben Eltern ihre Kinder in die Obhut der Regierung, die ohne Kontrolle walten kann und nicht hinterfragt wird. Ein Stück weit wird gezeigt, wie mächtig die heutige Jugend sein kann. Das sie offener sind als viele Erwachsene und den Mut haben, ihre Stimme zu nutzen, Systeme zu kritisieren und ihre Meinung zu äußern.

Für den nächsten Teil – sofern es einen gibt – wäre wünschenswert, mehr Nähe zu den Charakteren zu schaffen. Auch wenn wir die Protagonisten fast die komplette Zeit begleitet haben, wissen wir eigentlich nichts in der Tiefe über sie. Ruby wurde direkt am Anfang von ihren Eltern getrennt und weiter? Außer über ihre Fähigkeiten, ihren Willen zu Überleben und einer gewissen Großherzigkeit erfahren wir leider nicht viel mehr.

Positiv fiel uns auch der Soundtrack des britischen Komponisten Bejamin Wallfisch auf. Er war ebenfalls verantwortlich für die Musik in ES (IT), Annabelle 2 oder Bladerunner 2049. Freigegeben ist der Film ab 12 und bietet schon einige actiongeladene Szenen. Ihr solltet eure kleine Schwester also nur mitbringen, wenn sie in Sachen Action schon ein wenig abgehärtet ist. Kleine Sensibelchen sollten lieber in eine andere Vorstellung gehen.

Um das Ganze nun auf den Punkt zu bringen, liegt The Darkest Minds ganz klar im Durchschnitt. Mit einigen guten Passagen, aber auch vielen Aspekten, in denen wir uns mehr erhofft haben. Und vor allem mehr Individualität anstelle eines weiteren Films, der versucht, diverse Genre zu vereinen. Nicht langweilig, gut anzusehen, für Jugendliche sicherlich spannend. Für Erwachsene kein Muss.

Foto: Daniel McFadden