LichtwarkSchule: Starke Kinder durch Kunst
Kevin M., 30.03.2019
Aufgegeben. Unsicher. Orientierungslos. Kinder aus gesellschaftlichen Brennpunkten haben oft nicht dieselben Chancen im Leben. Die LichtwarkSchule fängt da an, wo das Bildungssystem aufhört. Doch wie funktioniert die Förderung von Kindern über soziale und kulturelle Grenzen hinaus?
Alfred Lichtwark war Begründer der Museumspädagogik und großer Kritiker der Pädagogik seiner Zeit. Im Jahre 1896 eröffnete er als Leiter der Kunsthalle Hamburg, eine Ausstellung mit dem Thema: Wie Kinder denken und malen. Er war der Überzeugung „Kunst ist für alle da und kann allen von Nutzen sein“.
Mithilfe der Kunstbetrachtung und dessen kreativer Auseinandersetzung sorgte er für die Vermittlung von Werten und Bildung. Daran knüpft die LichtwarkSchule, eine gemeinnützige Organisation aus Hamburg, heute an.
Was kann man darunter verstehen?
Die Organisation ist eine angedockte mobile Kunstschule. Das bedeutet, sie haben keine eigenen Unterrichtsräume, sondern lehren in den entsprechenden Bildungseinrichtungen. Pro Jahr werden zwischen 300 bis 500 Hamburger Kinder, an zwölf Schulen, in acht Stadtteilen begleitet.
Dabei sind:
- ehrenamtliche Unterstützer – vom Studenten bis zur Generation 50 plus
- zehn bis 15 Künstlerinnen und Künstler
Einen Kurs mit Zehn Schülern leitet ein akademisch ausgebildeter Kunstschaffender, welcher mit dem pädagogischen Konzept der Organisation vertraut ist. Außerdem besitzt er eine zusätzlich zertifizierte Sprachförderung. Des Weiteren sitzt ein Freiwilliger mit im Kurs, welcher sich für mindestens ein Jahr verpflichten muss. Er hilft dem Kursleiter und schreitet bei Problemen oder Zwischenfällen ein. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, absolviert er eine Fortbildung.
Es gibt keine Bewertungen für die Schüler, lediglich eine Unterstützung des künstlerischen Entwicklungsprozesses. So können die Kinder ohne Angst ihrer Kreativität freien Lauf lassen und entdecken neue Denk- und Herangehensweisen. Oftmals erfahren die Schüler innerhalb dieses Konzeptes das erste Mal Wertschätzung.
Die Werke der Kinder werden einmal im Jahr an öffentlichen Orten in den jeweiligen Stadtteilen ausgestellt. Es werden Ausflüge in Museen und Parks organisiert, um die eigene Stadt und Naturmaterialien kennenzulernen.
„Wenn wir merken, die Kleinen brauchen zusätzliche Unterstützung, können wir eingreifen. Wir sind im engen Kontakt mit Lehrern, Einrichtungen wie Stadtteilkulturzentren oder Beratungsstellen und Angeboten, die es auf sozialer Ebene gibt”, erzählt Regine Wagenblast im Interview mit Kolumne Hamburg.
Sie kümmert sich um Strategie, konzeptionelle Ausrichtung und Fundraising. Die LichtwarkSchule behält durch ihr Konzept eine gesunde Unabhängigkeit und ist immer da, wo sie gebraucht wird. Das wird vom Kess Faktor, also dem Sozialindex bestimmt. Wenn die meisten Schüler aus bildungsfernen Schichten und schwierigen Verhältnissen kommen, hat die Lehranstalt einen Sozialindex von 1. Ist das Gegenteil der Fall, liegt dieser bei 6.
„Wir sind nicht der Satellit der alles umkreist, wir sind mittendrin und sorgen in den Brennpunkten für soziale Integration“, so Wagenblast.
Effektivität
Abgesehen von dem Zuspruch und den Beobachtungen von Lehrern, wurde der Erfolg zusätzlich mithilfe einer Evaluation bewiesen. Die Durchführung der Bewertung übernahm Diplom-Psychologin Anna Sommer, für die Gesellschaft zur Förderung der angewandten Psychologie e. V.. Bei den Kursteilnehmern der Organisation wurde eine Steigerung des Selbstwertgefühls, des Lern- und Sozialverhaltens, der kulturelle Akzeptanz, sowie die Wertschätzung von Kunst und ihren eigenen kreativen Fähigkeiten festgestellt.
„Wenn wir einmal in einer Schule drin sind, kommt es in der Regel zu einer langfristigen Kooperation. Die Schulleiter erkennen und sehen die Verbesserung ihrer Schüler durch unsere Kurse“, bestätigt Regine Wagenblast die Ergebnisse der Evaluation.
Finanzierung
Finanziert wird die Einrichtung mit Honorarmitteln der Bildungsstätten und Kitas. Kees 1 Einrichtungen bekommen von der Stadt mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und so kommen diese Projekte genau dort an, wo sie gebraucht werden. Zum Zweiten gibt es eine Förderung von Bundesprogrammen, wie zum Beispiel: „Kultur macht stark“. Und drittens durch Spenden. Ein Kurs kostet circa 6.000 Euro. Mit 480 Euro im Jahr, also 40 Euro im Monat, finanziert man ein Kind und erhöht somit dessen Bildungschancen. Man kann allerdings auch einen beliebigen Betrag entrichten. „Jede Spende hilft uns, egal wie hoch sie ist“, erläutert Regine Wagenblast.
Aussicht und Motivation
Das große Ziel für die Zukunft ist finanzielle Stabilität. Das ist die Grundvoraussetzung für eine Expansion. Dies wäre dann der nächste Schritt. Gespräche mit Einrichtungen in Schleswig Holstein werden bereits geführt. Die treibenden Kräfte der Beteiligten ergründet sich in der Überzeugung an die emotionale und bildende Wirkung von Kunst. „Das Bildungssystem fokussiert sich zu sehr auf die Leistungen und vernachlässigt die Kreativität. Die wird aber immer wichtiger. Wir müssen also auch das Bildungssystem anpassen“, so Wagenblast über ihre Beweggründe.
Diese Motivation ist nicht unbegründet. Auch der renommierte Gehirnforscher Gerald Hüther, stellt sich die Frage, wie man die Kreativität der Kinder erhalten kann. Laut Studien besitzt man in jungen Jahren 80 Prozent davon und im erwachsenen Alter nur noch sieben Prozent. Einen Großteil verliert man durch die Schulzeit. Er sagt über die Organisation: “Wenn es einen Oscar für Social Business gäbe – die gemeinnützige LichtwarkSchule hätte ihn in den Kategorien Gestaltungskraft, Kreativität und Selbstwirksamkeit mehr als verdient.“