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Von Schwiegersöhnen und Klabautermännern

Kabarettist Felix Oliver Schepp, der Traum aller Schwiegermütter! Foto: Jenny Hanf

von Jenny Hanf, 22.05.2019

Wer zum Teufel ist auf die Idee gekommen, bei diesem nasskalten Wetter vor die Tür zu gehen? Ach, das war ja ich.

 
Zähneklappernd warte ich auf den Bus gen Hamburg City, genauer gesagt Nicolaifleet. Einen schönen Abend mit Freunden verbringen, Speis, Trank und Kultur, die Wahl fiel auf „Das Schiff“ - das einzige seetaugliche Schiffstheater Europas.

Seit 40 Jahren begeistert das schwimmende Theater mit Kabarett und Kleinkunst auf höchstem Niveau. Solo Programm „Hirnklopfen“ des Kabarettisten und Chanson Sängers Felix Oliver Schepp. Hirnklopfen, mein erster abstruser Gedanke: Schlaganfall? Tourette Syndrom? Ich kenne Felix von anderen Kulturabenden, als Moderator hat er ein unglaubliches Talent Menschen zusammen zu bringen und in eine Stimmung zu versetzen, die man erlebt haben muss. Aber einen ganzen Abend? Felix, Typ perfekter Schwiegersohn, passt nicht so recht in meine Vorstellung eines scharfzüngigen Kabarettisten. Zu dritt und frisch gestärkt gehen wir aus einem Restaurant über die Straße zur Nicolaibrücke, die Kulisse ist unauffällig und beeindruckend zugleich. Auf der einen Seite blitzt unsere Elbphilharmonie hinter den Hausfassaden hervor, auf der anderen die Nicolaikirche. Eine Bilderbuchszene, Hamburg bei Nacht, mittendrin das beleuchtete Theaterschiff, ruhig liegend im Fleet. Mehrere Stege verbinden das Schiff mit dem Festland. Von barrierefrei kann keine Rede sein, eher Akrobatik a là Cirque du Soleil.

Unfallfrei angekommen werden wir vom Intendanten, Heiko Schlesselmann, empfangen. Er sitzt in einem Verschlag am Eingang, kaum größer als eine Streichholzschachtel, und kümmert sich um die Eintrittskarten und die zahlreichen Fragen der ankommenden Gäste. Ich muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass dieses Theaterschiff seine Herzensangelegenheit ist. Es ist kuschelig warm, das urige Innenleben des Theaters erinnert an ein Tivoli Anfang der 20er Jahre. Meine Begleiter, Katharina und Oliver, waren noch nie hier und zücken sogleich ihre Smartphones, um Erinnerungsbilder zu machen. Alte Schiffsglocken, antiquarische Blechschilder mit skurrilen Verboten, Fotografien von Unterstützern und Freunden des Theaters zieren jeden freien Fleck vom Unterdeck. Ja, das Unterdeck mit kleinen Bullaugen, aber eben im Bauch des Schiffes. Unauffällig schiele ich gen Notausgang, wissentlich, dass es an diesem Abend mehr als gemütlich werden wird. Ich fühle es regelrecht, es ist wie ein Dreier-Sofa und fünf Familienmitglieder quetschen sich dazu, ist ja so schön…Das Unterdeck füllt sich, nach und nach trudeln die Gäste ein und suchen sich ihren Platz auf den ergonomisch interessanten Stühlen.

Das fröhliche Gemurmel ist ansteckend, Platzmangel fördert definitiv das Miteinander und Zugehörigkeitsgefühl. Ich bin sehr gespannt, denn ich bin kulturell verwöhnt – ich habe im Laufe der Jahre viele Bühnenauftritte verschiedenster Künstler erleben dürfen – auch auf dem Theaterschiff. Das Gemurmel in den Stuhlreihen legt sich langsam, alle Blicke zur Bühne gerichtet – sie ist so groß wie ein Klavier. Und ach, da steht ja auch ein Klavier. Mit Donnerbräu gewappnet genießen wir fast zwei Stunden wortgewaltige, kabarettistische Gratwanderungen zwischen poetischer Alltagscomedy und virtuosen Klavierklängen. Mir schießen die Tränen in die Augen vor lachen, der Felix, der jungenhafte Schwiegersohn, einfach unglaublich. Beim Klabautermann! Er wird doch nicht dieses heikle Thema aufgreifen?

Kann er einfach … ?

Doch, er kann. Und er wird.

Ein Virtuose auf der Bühne. Chapeau! Auf dem Weg nach Hause komme ich nicht umhin festzustellen, dass die gnadenlose Kälte von unten durch die Hosenbeine heraufkrabbelt. Macht aber nichts. Von innen ist mir entsetzlich warm, gefüllt mit Gags und musikalischen Ohrwürmern.

Demütig ziehe ich meine Wollmütze und verneige mich ganz tief vor so viel künstlerischem Talent.

In Hamburg sagt man Tschüss!
Dass heißt “Auf Wiedersehen”,
das klingt vertraut und schön,
und wer einmal in Hamburg war,
kann das gut verstehn`