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Die Nice Irons und ihr bester Kumpel: die Pulsuhr

Nice Irons Hamburg, Foto: Jan Huss

von Gila Thieleke, 12.10.2012

Es ist ein Phänomen, das sich explosionsartig zu entwickeln scheint. In meinem Bekanntenkreis fängt gerade jeder Dritte an, Leistungssport zu betreiben. Es beginnt meist mit einem kleinen Fünf-Kilometer-Lauf, dem folgt ein Halbmarathon, dann der Marathon und schließlich ein Triathlon.

Woher kommt dieser Drang in den 30ern richtig Gas geben zu wollen? Dieser Frage gehe ich nach und verabrede mich zum Interview mit den “Nice Irons”, zwei Hamburger Leistungssportlern. Benedikt Schreiner (Kurzform Bene) ist 33 Jahre alt, Andreas Zaun ist 38. Beide sind im Training für den Ironman. Wir treffen uns in einem kleinen, gemütlichen Restaurant. Bene sichte ich zuerst. Seine Hose rutscht,  ums Handgelenk trägt er kein elegantes Silber, sondern Plastik. Die Puls-Uhr ist sein ständiger Begleiter, genauso wie bei Andreas. Beide bestellen alkoholfreies Bier. Die Sportler wollen am 23.06.2013 beim Ironman in Nizza an den Start gehen. Das bedeutet 3,8 Kilometer Schwimmen im offenen Meer, 180 Kilometer Radfahren in den französischen Seealpen bei bis zu 2.600 Höhenmetern und einen Marathon laufen – schlappe 42,2 Kilometer. Heißt im Klartext für die beiden Hamburger: 15 bis 17 Stunden Sport! In meinen Ohren klingt das erbarmungslos.

“Wieso ausgerechnet jetzt”, frage ich.

Bene: „Mit Mitte 20 war ein Halbmarathon einfach nicht sexy.“ Das müsste im Umkehrschluss doch bedeuten, dass es mit Anfang 30 cool ist einen Marathon zu laufen. „Vermutlich schon“, sagt Bene, beteuert jedoch gleichzeitig, dass er es nur für sich und sein eigenes Ego macht. „Was andere denken ist mir egal. Ich muss nur mir selbst etwas beweisen.“

Das nehme ich ihm ab, er scheint nicht der Typ zu sein, der wie ein Poser durch die Gegend rennt und aller Welt verkündet, dass er für den Ironman trainiert. Angeber sind in meinen Augen schwache Menschen. Menschen, die unsicher sind und nicht genug Charakter besitzen, um zu dem zu stehen, was bzw. wer sie wirklich sind. Die Jungs hingegen kommen mir beide sehr gefestigt vor.

Trotzdem sehe ich noch einen großen Widerspruch und frage mich: Was motiviert Menschen wie Andreas und Bene. Ist es die Sehnsucht nach „Mehr“?  Das Verlangen in seinem Leben etwas zu erreichen, was man woanders nicht erreicht hat? Kompensieren Leistungssportler etwas?

Andreas: „Bei mir ist das definitiv nicht so. Ich habe eher eine Art ‚To Do Liste’ an Dingen, die ich im Leben mal gemacht haben möchte. Dazu gehört eine Atlantik-Überquerung, den Jakobsweg gehen oder eben beim Ironman mitmachen.“ Den Jakobsweg ist Andreas übrigens in sechs Tagen mit dem Fahrrad abgefahren.

Andreas spricht von Dingen, die man in seinem Leben einmal gemacht haben möchte. Ist es vielleicht auch die Suche nach Spiritualität oder nach einem höheren Sinn, nach einer „Antwort“. Möglicherweise ist Sport eine der Stufen auf dem Weg zur Glückseeligkeit. Laut dem Philosophen Aristoteles ist Glückseeligkeit die Antwort auf die Frage nach dem höchsten Gut. Glückseeligkeit wollen die Menschen um ihrer Selbst willen erreichen.

Ich grabe weiter und stoße auf eine Sportpsychologin, die junge Hochleistungssportler auf die Olympischen Spiele vorbereitet hat. Von ihr erfahre ich neue interessante Details.